Mehrwertsteuer: Grundlagen

Mehrwertsteuer: Grundlagen
Mehrwertsteuer: Grundlagen
 
Neben der Einkommensteuer ist die Mehrwertsteuer in Deutschland die fiskalisch bedeutsamste Steuerquelle. 1997 betrug ihr Anteil am gesamten Steueraufkommen 30 Prozent - mit steigender Tendenz. Als Gemeinschaftsteuer kommt ihr Aufkommen Bund, Ländern und Gemeinden zugute.
 
Die Mehrwertsteuer zählt wie alle Steuern, die unabhängig von den individuellen Merkmalen der Steuerpflichtigen erhoben werden, zu den indirekten Steuern. Da sie grundsätzlich alle Gegenstände des Verbrauchs erfasst, zählt die Mehrwertsteuer zu den allgemeinen Verbrauchsteuern, im Unterschied zu speziellen Verbrauchsteuern, mit denen ausgewählte Arten des Konsums steuerlich besonders belastet werden wie bei der Mineralöl-, Tabak-, Kaffee-, Bier- und Schaumweinsteuer.
 
 Allphasen-Nettoumsatzsteuer
 
Die in Deutschland und in allen EU-Staaten - mit unterschiedlichen Sätzen - erhobene Mehrwertsteuer ist eine spezielle Form der Umsatzsteuer. Sie ist eine Allphasensteuer, weil sie auf allen Stufen der Produktion auf die Umsätze der Unternehmen erhoben wird - von den Zulieferern bis zur endgültigen Fertigstellung eines Produkts und dessen Verkauf an den Endverbraucher. Sie ist eine Nettoumsatzsteuer, weil jedes Unternehmen nur die Steuern für die jeweilige Wertschöpfung abzuführen hat. Dieser Wertschöpfungsbezug wird bei der Mehrwertsteuer durch den Vorsteuerabzug erreicht. Der Steuersatz ist gespalten in einen Normalsatz in Höhe von 16 % und einen ermäßigten Satz in Höhe von 7 % für bestimmte Güter wie Lebensmittel, Bücher, Zeitungen und Leistungen des Personennahverkehrs (Stand 1999). Manche Güter und Dienstleistungen sind beim Verkauf an den Endverbraucher ganz von der Steuerpflicht ausgenommen (z. B. Mieten).
 
 Allokative Beurteilung
 
Ein traditionelles Argument zur Rechtfertigung der Mehrwertsteuer etwa im Vergleich zur Einkommensteuer ist, dass hier der Konsum und nicht die Entstehung des Sozialprodukts belastet werde und die Mehrwertsteuer von daher vorzuziehen sei. Diese Sichtweise ist allerdings nur eingeschränkt richtig. Konsum und Einkommen sind aus der Sicht des Haushalts zwei Seiten einer Medaille. Ein arbeitender Mensch opfert Freizeit, um Einkommen zu erzielen. Dies tut er aber nicht um des Einkommens willen, sondern weil dieses Einkommen ihm erlaubt zu konsumieren. Eine Steuer führt aber immer dann zu Wohlfahrtsverlusten, wenn sie die Entscheidung über die optimale Kombination zwischen Arbeit und Freizeit verzerrt. Diese Verzerrung tritt sowohl bei der Einkommensteuer als auch bei der Mehrwertsteuer auf. Beide Steuern verringern die Konsummöglichkeiten, mit denen jede Arbeitsstunde belohnt wird.
 
Ein Zahlenbeispiel zur Veranschaulichung: Für einen Arbeitnehmer stellt sich die Belastung in folgenden beiden Fällen identisch dar. Im Fall A wird sein Einkommen in Höhe von 1250 Euro mit einem Steuersatz von 20 % (also 250 Euro) belastet. Eine Mehrwertsteuer existiert nicht. Im Fall B existiert umgekehrt keine Einkommensteuer, es ist dafür aber eine Mehrwertsteuer in Höhe von 25 % zu zahlen. Im Fall A kann der Arbeitnehmer aufgrund der Einkommensteuerbelastung nur Güter im Gegenwert von 1000 Euro kaufen. Im Fall B steht ihm nun zwar sein gesamtes Bruttogehalt für Einkäufe zur Verfügung, er kann aufgrund der Mehrwertsteuer aber nur Güter im Nettowert von 1000 Euro kaufen, die ihn brutto 1250 Euro kosten. Im Hinblick auf die wünschenswerte Neutralität einer Steuer für die Entscheidung zwischen Arbeit und Freizeit ist die Mehrwertsteuer also nicht überlegen. Die Mehrwertsteuer hat allerdings im Vergleich zur Einkommensteuer einen allokativen Vorteil. Sie verzerrt nicht die Entscheidung der Haushalte über die Höhe der Ersparnis. Bei der Mehrwertsteuer werden nicht wie bei der Einkommensteuer die Zinserträge, die sich bei der Verschiebung des Konsums in die Zukunft durch Sparen ergeben, belastet.
 
 Verteilungswirkungen
 
Die Mehrwertsteuer wird oft verteilungspolitisch kritisiert, weil sie als indirekte Steuer keine Rücksicht darauf nimmt, ob es sich bei den Konsumenten um einen Sozialhilfeempfänger oder um einen Multimillionär handelt, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit also außer Acht lässt. Außerdem wird argumentiert, dass in der Regel ein armer Haushalt weniger Möglichkeit zu sparen hat als ein reicher und deshalb der Sozialhilfeempfänger noch stärker als der Multimillionär belastet wird.
 
Weiterhin entlastet die Verschiebung von der Einkommens- zur Mehrwertbesteuerung die aktiven Arbeitnehmer zulasten der Haushalte ohne steuerpflichtiges Einkommen: Rentner verfügen in der Regel nur noch über ein geringes zu versteuerndes Einkommen. Von daher werden sie von der Einkommensteuer kaum belastet, sehr wohl aber auf der Konsumseite durch die Mehrwertsteuer.

Universal-Lexikon. 2012.

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